Zwei und sechs Jahre alt waren unsere Töchter Anna und Lena, als wir Oktober 1985 in Jerusalem ankamen, wo mein Mann für sechs Jahre den Dienst als Propst der deutschsprachigen evangelisch-lutherischen Gemeinde übernahm. Lena wurde in der Anglican School eingeschult, Anna besuchte den finnischen Kindergarten. Da sie sich nach sechs Jahren wieder im deutschen Schulsystem zurechtfinden sollten, war es notwendig, dafür zu sorgen, dass sie auch Deutsch lesen und schreiben lernten.
Meine Versuche, selbst bei meinen Kindern als Lehrerin zu fungieren, scheiterten kläglich. Die Rolle der lieben Mama ließ sich nicht vereinbaren mit der strengen Lehrerin. So entstand die Idee, einen Ergänzungsunterricht einzurichten, in dem die deutsche Sprache und Kultur kennen gelernt und eingeübt werden können.
Es gab viele Kinder aus Familien mit unterschiedlichen Muttersprachen: arabisch – deutsch, hebräisch- deutsch, französisch-deutsch etc. Die Kinder gingen auf unterschiedliche Schulen: arabisch-, hebräisch-, französisch- und englischsprachige Schulen. Diese Kinder konnten alle Deutsch sprechen und verstehen, aber nur schlecht schreiben. An einigen arabischen Schulen gab es bereits Deutschunterricht, jedoch wurde das Deutsche nicht als Muttersprache, sondern als Fremdsprache gelehrt.
Mit tatkräftiger Unterstützung des damaligen Verwaltungsleiters der Propstei, Michael Öke, und seiner Mitarbeiterin Sybille Haug gründeten also Claus Tegen (Fachberater für den Deutschunterricht in den Schulen der ELCJ) und Elisa Pfalzer-Tegen, Johannes und Dorothea Friedrich, ein Vertreter der Deutschen Botschaft, Rudolf Guetter, Lisa Heermann, Hans Scheller, Tony Janssen, Rolf Goethert (katholischer Touristenseelsorger) Elisabeth Weidinger (katholische Schulschwester), Marianne Nieber und Dr. Helga Baumgarten am 4.9.1986 den Verein deutschsprachige Schule Jerusalem mit dem Ziel, in einer sog. Sonnabendschule einmal in der Woche Deutschunterricht anzubieten, und zwar als Muttersprache. Als Unterrichtstag blieb nur der an arabischen Schulen unterrichtsfreie Freitag, denn das war auch der einzige Nachmittag, an dem weder die französische noch die englische noch die hebräischen Schulen Nachmittagsunterricht hatten.
Für jedes Kind musste ein Beitrag gezahlt werden, um die Miete der Unterrichtsräume in Notre Dame zu finanzieren. Die Lehrerinnen arbeiteten zunächst ehrenamtlich, erst später, als Lehrkräfte außerhalb des Gründerkreises engagiert werden konnten, erhielten sie eine bescheidene Aufwandsentschädigung. (…)
Als das Interesse von Jugendlichen und Kindern aus Familien ohne deutschsprachiges Elternteil wuchs, wurde zusätzlich eine Klasse mit Deutsch als Fremdsprache eingerichtet. Später gab es auch eine Vorschulgruppe, die sich in den Räumen der Propstei traf.
Auszug aus einem Brief an die Freitagsschule von Dorothea E. Friedrich, Studiendirektorin am Wittelsbacher-Gymnasium München